ARME KUNST UND DIE KRISE
Seit langem war mal wieder
Winter im Norden. Da belauschten wir aus gegebenem Anlaß folgenden
Meinungsaustausch von Hofkünstler Ulrich Lubda (HK) und Farmer George (FG),
genannt „Altes Ego“, hinter dem Ofen irgendwo zwischen Marsch und Heide.
FG Das war hart.
HK Wieso war? Wird, wenn ich an die Heizkosten
denke. Und das bei der Krise.
FG Die machen das schon. Alles abgesichert und
garantiert.
HK Das reine Unvermögen.
Können nichtmal ne U-Bahn bauen, ohne daß das größte Geschichtsarchiv nördlich
der Alpen zur Hölle fährt.
FG Oder diese Blauzungenimpfung schon wieder.
Jetzt krepieren die Viecher erst richtig und die Tierseuchenkasse zahlt
natürlich nicht – und nützen tut das eh nix, weil sie das Wild nicht mitimpfen.
Aber bürokratischer Aktionismus. Wir tun was.
HK Wir starten ein
Hilfsprogramm für die Banken.
FG Und für die Wirtschaft.
HK Und machen viele
Schulden. Der Staat verschuldet sich. Noch ein bißchen mehr als sowieso.
FG Bei wem eigentlich?
HK Bei den notleidenden Banken
–
FG Äh? Die, denen der Staat jetzt massiv unter
die Arme greift?
Da schieben die das
Schuldenloch im Kreis rum?
HK Und zwischendrin jede
Menge Vertrauen.
In die Rüstungsindustrie zum
Beispiel. Bei dem Geballer in Gaza kamen die doch mit der Produktion gar nicht
mehr mit.
FG Die Waffenschmuggeltunnel, die die Israelis
kaputtbomben, buddeln die Geheimagenten von der Waffenlobby gleich wieder auf.
HK Und Topagent Bischof
Williamson hält ihnen medienmäßig den Rücken frei. Solange der bereut oder
nicht, redet keiner mehr von den Kriegsverbrechen in Gaza und anderswo.
FG Das ist eben Kulturpolitik.
HK Hilft Opel auch nicht
weiter
FG Aber der Kultur. Und der Natur.
HK Keine neuen Autos mehr,
keine neuen Autobahnen mehr. Mehr Kunst im Grünen
FG Und wieder Pferdekutschen. Schön.
HK Und keine Bonzenkunst
mehr.
FG Hä?
HK Die Sponsoren haben jetzt
andere Sorgen und keine Lust mehr, ihren privaten reaktionären Geschmack den
Kommunen aufzudrängen. Ob sie nun Pillen drehen oder nicht.
FG ??
HK Da hatte einer ein paar
Euronen übrig und wollte damit sich und der Gesellschaft etwas Gutes tun. So
geht er denn hin zum Lago di Bonzo ins Voralpenland, wo sich die Schönen und
Reichen treffen bzw. trafen, und kauft ein paar der dort so fein ins Umfeld
passenden stählernen Laubsägearbeiten, um diese im städtischen Park zum
Erstaunen der Bürger und der am Ort ansässigen Künstler aufzustellen.
FG Und jetzt?
HK Jetzt machen die Künstler
ihre Kultur selbst, wie damals in der Sowjetunion – Privatkultur sozusagen, in
der Küche und im Wohnzimmer.
FG Aber Sowjet usw. ist fini.
HK Kommt alles wieder, z.B.
Staatskapitalismus in USA und England.
FG Und Kunst in Hinterhöfen, stillgelegten
Autofabriken…
HK Abzureißenden
Feuerwehrtürmen aufm Dorf…
FG Wenn nicht die Sozis dazwischengehen.
HK Die haben ja einen ganz
eigenen Kulturbegriff: Sport und gemeinschaftliches Saufen, Kunst ist für die
schon zu elitär.
FG Schröder soff aber auch mit Künstlern.
HK Oder mit Russen und
Persern. Aber Angy?
FG Boxt den Papst. – Pferdekutschen finde ich übrigens
schön romantisch.
HK Auf dem Alten
Postweg. Nostalgie.
FG Und wo bleibt die Moderne
Kunst?
HK Alter Moderne.
FG Nenn mich nicht
"Alter" –
HK "Alter Moderne"
heißt der neueste Trend, wie "alter ego".
FG Altes Ego.
HK Vergiß es. – In der Kunst
geht jetzt alles, das haben die letzten Fluxusjünger hier noch nicht gemerkt.
FG Sägen Autos kaputt –
HK – bei der Prämie
FG – und schrauben sie wieder falsch zusammen.
HK Die einen übermalen
Fotos, die anderen fotorealistisch-
FG Genau – und dann alle zusammen kunterbunt in
der arabischen mittelalterlichen Heerlagerzeltstadt am Luhe-Fluß – Kraut und
Rüben.
HK Wenn ich da an den Winsener
KunstBahnhof denke, sowas kommt nicht wieder.
FG Besser dann schon krass elitäre Hofkunst in den Lustgärten der Stadt?
HK Jawoll – wenn die Banken
und Sparkassen was ausgeben – als klitzekleine Wiedergutmachung sozusagen für
die begangenen Kapital-Verbrechen, für die bisher noch keiner die Verantwortung
übernommen hat – business as usual.
FG Das kostet aber mehr als 1,30
HK Eben, eher Nena-mäßig.
FG Kulturnation Deutschland, Volk der Dichter und
Denker.
HK Pah. – Der eigentliche
durchgängige Skandal ist doch die Geringschätzung der Künstler – die EINZIGEN,
die noch kreative Gedankensprünge aus ausgeleierten Strukturen hinkriegen,
Innovation – als rettendes Kontrastprogramm zum Hedonismus von Börse und
Banken.
"Kunst besitzt die
seismologische Fähigkeit, zukünftige soziale und technologische Umwälzungen
über mehr als eine Generation vorauszusehen, Kunst ist eine Radarantenne, eine
Art prophetisches Frühwarnsystem, auf das wir unbedingt hören müssen."
FG Dein Ernst?
HK Marshall McLuhan.
FG Was fürn Marschall? Wieder son Militarist.
HK Amerikanischer
Medienexperte, Sagte das 1964.
FG Jaja.
HK Die Politik bzw. Verwaltung
schleicht den Mafiosi, Bankrotteuren und
Finanzakrobaten hinterher, bloß kein Neubeginn, kein Umdenken – weder
überregional noch regional
FG Nix Obama, nicht hier. Alles wie bisher:
Baulandverwertung.
HK Bossard, zum Beispiel,
DAS kulturelle Vorzeigeprojekt des Landkreises
FG Aber hallo.
HK Von der zweifelhaften
Bedeutung eines Johann Bossard mal abgesehen – was läuft da?
FG Kunstmarkt
HK Besser wohl Jahrmarkt,
rein kommerzielle Verwurstung von Kunst. Sowas ist schädlich. Und wer trägt die
Gesamtverantwortung? Ein ausgeWiesener Künstler und Kenner von Kunst, oder?
FG Ein Banause und Selbstverwirklicher auf Kosten
anderer. Frag mal die Familie Schuster.
HK Und wer ist Vorsitzender
vom Stiftungsrat?
FG Ein landwirtschaftlicher Immobilienexperte,
weiter kein Kommentar.
HK Und die Leitung der
Kunststätte – vakant. Da sollte mal ein
Macher aus der Region hin, einer der die Kunstszene hautnah kennt, einer mit
künstlerischer Kompetenz, einer der bewiesen hat, daß er innovative Projekte hier
und anderswo aus dem Hut zaubern kann.
FG Kennst du einen?
HK Glaub schon. Mich fragt
bloß keiner.
FG Arme Kunst.
HK Arte povera. Auch schon
dagewesen.
FG Prost, Alter.