Ulrich Lubda: Eröffnung KUNST IM PARK

 Moin –

 

…nicht weit vom Stamm…

 

 

 

so heißt das Motto von KUNST IM PARK – woran denken wir bei diesem Spruch?  Haben wir ein gutes Gefühl – oder eher nicht?

 

Also – ich hätte da nämlich gerne mal ein Problem…

Kann mir vielleicht jemand sagen, was Kunst ist?

 

Mit dieser Frage meine ich jetzt nicht meine lieben BerufskollegInnen, die wieder eine beeindruckende Installation draußen im Park installiert haben – – und wenn ich hier fertig bin, werden wir wieder mit klingendem Spiel über den Markt ziehen und uns hinten zwischen zahlreichen im wahren Wortsinn merk-würdigen Objekten zerstreuen – lassen.

 

Ich darf auch noch sagen, daß eine der Künstlerinnen, Anna Maria Schlemmer, heute im Laufe des Nachmittags hier im Pferdestall oben auf der Empore ihr märchenhaftes Schattentheater aus dem Karton vorführen wird.

 

Also, noch einmal die rhetorische Frage: was ist nun, bitte sehr, Kunst? Als Kinder im noch recht ländlichen Volksdorf hörten wir: blas einer Kuh solange hinten rein bis vorne die Hörner gerade werden – das ist Kunst.

 

Ich kann euch sagen, was Bonzenkunst ist. In einer norddeutschen Kleinstadt hat ein mittelständischer Unternehmer ein paar Euronen übrig und möchte damit sich und der Gesellschaft etwas Gutes tun. So geht er denn hin ins Voralpenland, an einen der dort sich erstreckenden Seen, wo sich die Schönen und Reichen treffen – in gewissen Kreisen auch als Lago di Bonzo bekannt. Dort stellt ein Zeitgenosse seine zahlreichen stählernen Laubsägearbeiten aus, weil sie nach seinem Bekunden so schön in dieses Umfeld passen. Und unser Unternehmer erwirbt flugs einige davon, um sie seiner norddeutschen Kleinstadt zu schenken, damit diese sie im städtischen Park zum Erstaunen der Bürger und der am Ort ansässigen Künstler aufstellt. Nicht weit vom Stamm. Es war schon immer etwas teurer, seinen persönlichen Geschmack durchzusetzen.

Kunst und Geld, Kunst und Macht. Vor Jahren schrieb ich in einem Artikel, Kunst und Kommerz seien die größtmöglichen Gegensätze und Helmut Karasek meint sogar, das einzig mögliche Verhältnis zwischen Staat – und hier erweitere ich dieses Zitat ein wenig – zwischen Macht, Geld und Kunst sei das der Feindschaft. Nicht weit vom Stamm.

Ein Spannungsverhältnis also, nichts Neues.. Das wußten schon die Hofnarren der Fürsten und Könige, und wenn der König klug war, ließ er dem Narren Narrenfreiheit, aus dieser erwuchs dem klugen König mitunter Weisheit. Ging nicht immer gut. Bekanntlich fidelte sich Mozart in Paris vor Kälte zitternd fast den Arsch ab, während es die feinen Herrschaften im geheizten Nebenzimmer mit Messer und Gabel trieben, um Herman van Veen, den holländischen Harlekin unserer Tage, zu zitieren. Geld – das sind – am Ende aller möglichen Tauschgeschäfte und am Ende des freien Kapitalverkehrs – lediglich befristet einlösbare, wie wir jetzt alle merken, Anrechtscheine, um auf Kosten anderer und über das eigene Fassungsvermögen hinaus zu fressen, zu saufen und noch irgendwas, was ich aber jetzt nicht sage, obwohl ich mich in einem ehemaligen Pferdestall befinde. War das dann alles? Da war doch noch was? Nicht weit vom Stamm.

 

Kunst besitzt die seismologische Fähigkeit, zukünftige soziale und technologische Umwälzungen über mehr als eine Generation vorauszusehen, Kunst ist eine Radarantenne, eine Art prophetisches Frühwarnsystem, auf das wir unbedingt hören müssen – so der Medienexperte Marshall McLuhan 1964 – schon vergessen?  Einige Rentner werden sich vielleicht noch an ihn erinnern.

 

Ich verstehe mich nicht als Künstler, denn ich agiere im Auftrag eines anderen, der mich gesandt hat. Er hat die Schlangenhaut, den Talisman. Kunst ist in der Natur, Kunst macht den Künstler – nicht umgekehrt. Der Künstler ist ein Sprachrohr für die Natur, von der die Kunst kommt – so der afrikanische Dokumenta -Teilnehmer Georges Adéagbo aus Benin in einem Gespräch mit Harald Szeemann im Jahre 2000.

 

Nicht weit vom Stamm. Schon der russische romantische Dichter Alexander Puschkin vergleicht zu Anfang des 19. Jh  – verbannt in die ewige Krisenregion Kaukasus – den Künstler mit einem Propheten –

 

Но лишь божественный глагол

До слуха чуткого коснётся

Душа поэта встрепенётся

Как  пробудившийся орёл

 

 "doch wenn das göttliche Wort sein feines Gehör trifft, dann erhebt sich die Seele des Dichters wie ein Adler" – nicht anders faßt es der englische Dichter aus Deutschland und Sammler alter Apfelsorten Michael Hamburger, mit dessen Werk wir die KUNST IM DORF eröffnet haben, wenn er über die Inspiration spricht.

 

Nicht weit vom Stamm. Kunst erscheint im Künstler und durch ihn als etwas außer ihm und außer sich und seinem Wesen nach Anderes und erinnert mindestens daran, daß es sich lohnt – frei nach Ivan Nagel – ein anständiger Mensch zu werden und sich um eine Welt zu kümmern, die WIR nicht gemacht haben und deshalb gerade erst beginnen zu begreifen – Gottesteilchen ja oder nein.

 

Die Gesellschaft braucht die Künstler, Narren, die Verrückten, die Propheten und Schamanen – und die Global Players, Könige von heute,  können es sich nicht leisten, nicht auf sie zu hören – oder es gar zuzulassen, daß diese ihnen hinten reinkriechen. In der Tat wäre ein so idealistisches Unterfangen, wie das Suchen, Sammeln und Bewahren alter Apfelsorten in einer Genbank, eine Angelegenheit, die viele Jahrzehnte eines Menschenlebens erfordert, ohne die künstlerische Dimension völlig undenkbar. Wir befinden uns zum Glück noch immer – nicht weit vom Stamm. Ich darf Sie bitten, mir dahin zu folgen – zum angeSTAMMten Platz und Zweck.

 
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